Vortragssitzung

Alternative Behandlungsstrukturen

Vorträge

Strukturierende Instrumente in der Gesundheitsversorgung: Präferenz, Akzeptanz und Umsetzung anhand von Versorgungs- und Befragungsdaten (Projekt PFAD)
Wiebke Schüttig, TU München, Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie

Einleitung / Introduction

Die freie Arztwahl im deutschen Krankenversicherungssystem führt zu einem erhöhten Koordinationsbedarf zwischen den Leistungserbringern (LE) und möglichen Steuerungsdefiziten in der Versorgung. Für Patienten bedeutet das System Flexibilität, fordert jedoch ein hohes Maß an Eigenverantwortung. Die Wahl des LE wird somit stark von individuellen Präferenzen und Beweggründen beeinflusst. Ziel dieser Studie es, individuelle Motive und Präferenzen von Versicherten bezüglich der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen zu ermitteln und vor dem Hintergrund von strukturierenden Instrumenten, wie z.B. Disease Management Programmen (DMP) oder Medikationsplänen, und Hausarztzentrierung zu analysieren.

Methode / Method

Im Rahmen der Studie wurde ein Fragebogen erstellt, der Erwartungen und Präferenzen sowie Erfahrungen mit der Gesundheitsversorgung und strukturierenden Instrumenten bei Versicherten der Techniker Krankenkasse abfragt. Zusätzlich werden Informationen zur eigenen Gesundheitssituation, sozioökonomischen Status und der Gesundheitskompetenz erhoben. Neben einer erkrankungsunabhängigen Stichprobe wurden explizit Versicherten mit Herzinsuffizienz, Herzinfarkt, Rückenschmerz und Depression angeschrieben. Die Befragungsdaten werden mit den Abrechnungsdaten der Versicherten verknüpft, die Informationen zu Morbidität, erhaltenen Leistungen und Medikation, sowie zu Kontakten mit LE enthalten. Deskriptive Datenanalysen werden durchgeführt, um einen Überblick über die wahrgenommene Versorgungssituation zu erhalten. Anhand explorativer Statistik werden Zusammenhänge zwischen patientenseitigen Merkmalen und dem Inanspruchnahmeverhalten untersucht.

Ergebnisse / Results

3.131 Versicherte haben zwischen März und Juli 2023 den Fragebogen vollständig ausgefüllt. Erste Analysen zu patientenseitigen Präferenzen zeigen, dass eine kontinuierliche Versorgung bei festen Ansprechpartnern bei allgemeinen gesundheitlichen Anliegen deutlich wichtiger ist als bei spezifischen (71%, 45%). Dennoch wird der Hausarzt als wichtigste Ansprechpartner bei der Wahl von Fachärzten genannt (64%). Ergebnisse von vertieften Analyse zu Erfahrungen mit strukturierenden Instrumenten, sowie zu Motiven und Präferenzen bei der Inanspruchnahme werden im Januar 2024 erwartet. Die Ergebnisse sind insbesondere durch die Verknüpfung der Daten und umfassender Subgruppenanalysen von hoher Relevanz.

Zusammenfassung / Conclusion

Die Studie im Projekt PFAD analysiert Faktoren bei der Inanspruchnahme von Leistungen im Zusammenhang mit patientenseitigen Merkmalen und Abrechnungsdaten. Aus der datenübergreifenden Analyse sollen Ansätze zur Verbesserung der Koordination identifiziert und zur Verbesserung der Umsetzung von existierenden Instrumenten abgeleitet werden.


AutorInnen
Wiebke Schüttig, TU München, Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie
Amelie Flothow, TU München, Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie
Udo Schneider, Techniker Krankenkasse
Leonie Sundmacher, TU München, Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie
Evaluation ANP Center zur Zukunftssicherung der medizinischen Basisversorgung in der Region
Christiane Wuckel, RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung

Einleitung / Introduction

Ländliche Regionen sind mit einem zunehmenden Anteil älterer Menschen mit hohem medizinischen Versorgungsbedarf und einer rückläufigen Zahl der Hausärzteschaft konfrontiert. Das Projekt HandinHand hatte das Ziel Hausärzte in einer ländlichen Region im nördlichen Rheinland Pfalz bei der Betreuung chronisch kranker Menschen über 60 Jahre mit erhöhtem medizinischen Versorgungsbedarf durch den Einsatz von Pflegeexperten (PEs) zu entlasten.

Methode / Method

Es wurden die Effekte der Intervention auf verschiedenen Ebenen mittels Differenzen-in-Differenzen Ansatz untersucht. Die Primäroutcomes beziehen sich auf die Beanspruchung medizinischer Leistungen in der hausärztlichen als auch stationären Versorgung und werden auch in Verhältnis zu den im Projekt entstandenen Kosten gesetzt. Die Sekundäroutcomes beziehen sich auf die Patientenzufriedenheit.

Ergebnisse / Results

Auf Basis der vorhandenen Literatur gehen wir von einer Reduktion der Beanspruchung medizinischer Leistungen gegenüber der Regelversorgung aus. Für die Ergebnisse der Sekundäroutcomes gehen wir von einer Verbesserung der Patientenzufriedenheit und -selbstständigkeit aus.

Zusammenfassung / Conclusion

Die Versorgung innerhalb des Projektes fand durch die COVID-19 Pandemie und die Flutkatastrophe im Ahrtal unter erschwerten Bedingungen statt. Zudem ist zu bedenken, dass es innerhalb der Versorgung im Projekt zum Nachholen ungedeckter Bedarfe kommen kann, was zu einer Unterschätzung positiver Effekte führen würde. Andererseits besteht aufgrund des Fokus der Betreuung auf Prävention ein hohes Potential für langfristige Effekte.


AutorInnen
Daniel Monsees, RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung
Ingo Kolodziej, RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung
Anna Werbeck, RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung
Christiane Wuckel, RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung
Dörte Heger, RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung
Swantje Seismann-Petersen, Universität zu Köln
Sascha Köpke, Universität zu Köln
Einfluss einer neuen Leitlinie auf die Behandlung von Patient*innen mit Hypercholesterinämie in der hausärztlichen Routineversorgung – eine Sekundärdatenanalyse
Christoph Strumann, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck

Einleitung / Introduction

Eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland sind kardiovaskuläre Erkrankungen, zu dessen Risikofaktoren die Hypercholesterinämie gehört. Zur Behandlung hiervon betroffener Patient*innen können Hausärzt*innen auf verschiedene Leitlinien zurückgreifen. In dieser Analyse sollte untersucht werden, ob die Veröffentlichung der aktualisierten Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) und der European Atherosclerosis Society (EAS) zu Dyslipidämie zu einer Veränderung der Verschreibungs- und Therapiemodalitäten in der hausärztlichen Versorgung in Deutschland geführt hat und welche Auswirkungen dies auf den Gesundheitszustand der betroffenen Patient*innen hatte.

Methode / Method

In der retrospektiven Kohortenstudie wurden auf Basis von Routinedaten (von 2016 bis 2022) aus acht Hausarztpraxen des Supraregional Health Service Research Network (SHRN) die medikamentöse Therapie und das Therapieergebnis vor und nach der Implementierung der neuen ESC/EAS-Leitlinie 2019 verglichen. Der Effekt der Leitlinieneinführung wurde im Rahmen einer Panelregressionsanalyse bestimmt, in welcher neben individueller Effekte auf der Ebene der Patient*innen und Praxen, ein allgemeiner Zeittrend und saisonale Effekte berücksichtigt wurden.

Ergebnisse / Results

Von den 30.691 Patient*innen, die im Beobachtungszeitraum in einer der acht Hausarztpraxen behandelt wurden, hatten 4.496 Patient*innen erhöhte Cholesterinwerte (Hypercholesterinämie). Der Anteil der Patient*innen mit Hypercholesterinämie, denen ein Statin verschrieben wurde, stieg von 20% (vor 2019) auf 39,3 % (nach 2019). Ein signifikanter Anstieg der Statin-Verordnungen nach 2019 konnte durch die Ergebnisse der Panelregression nicht bestätigt werden. Hingegen gab es eine signifikante Verringerung von klinisch relevanten Events bzw. Erkrankungen.

Zusammenfassung / Conclusion

Die Einführung der neuen ESC/EAS-Leitlinie hat nicht zu einer Zunahme bei den Verschreibungen von Statinen geführt. Warum es trotzdem zu einer Reduktion von klinisch relevanten Ereignissen bzw. Erkrankungen gekommen ist, sollte Gegenstand zukünftiger Studien sein.


AutorInnen
Christoph Strumann, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck
Wolfgang C. G. von Meißner, Hausärzte am Spritzenhaus
Paul Blickle, Hausärzte am Spritzenhaus
Jost Steinhäuser, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck
Welchen Einfluss haben Coaching und kontinuierliches Telemonitoring auf die Zeit bis zur ersten Exazerbation bei Patienten mit cystischer Fibrose? – Erste Ergebnisse einer Ereigniszeitanalyse
Juliane Schiller, inav - privates Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH

Einleitung / Introduction

In der Ära hochwirksamer CFTR-Modulator-Therapien bleibt die inhalative Therapie mit Antibiotika und Mukolytika weiterhin ein wesentlicher Bestandteil der symptomatischen Dauertherapie von Patienten mit cystischer Fibrose (CF). Der hohe zeitliche Aufwand der Inhalationstherapie spiegelt sich oftmals in einer niedrigen Therapieadhärenz wider. Vor diesem Hintergrund verbindet das Innovationsfondsprojekt "conneCT" innovative digitale Technologien mit Maßnahmen zur Verhaltensänderung, um die Therapietreue der Patienten und somit den Gesundheitszustand dieser zu verbessern. Nachfolgend werden erste Ergebnisse einer Ereigniszeitanalyse zur Wirkung der Studienintervention auf die Zeit bis zur ersten protokoll-definierten pulmonalen Exazerbation mittels Cox-Regression dargestellt.

Methode / Method

In der multizentrischen, randomisierten, kontrollierten Studie wurden Patienten ab 12 Jahren für einen Zeitraum von 18 Monaten eingeschlossen. Die Studie vergleicht die herkömmliche Standardversorgung mit einer innovativen Versorgungsform, die den Einsatz eines datenaufzeichnenden Verneblers (eFlow®rapid mit eTrack Controller), einer Selbstmanagement-App (PARI Connect) und die wöchentliche Nutzung eines Heimspirometers (mySpiroSense) umfasst. Ergänzt werden diese Maßnahmen durch professionelles Telefon-Coaching und die Möglichkeit zusätzlicher Videokonferenzen. Sowohl die Adhärenzdaten als auch die Ergebnisse der Heimspirometrie sind für die Patienten und die behandelnden Ärzte einsehbar.

Ergebnisse / Results

Es wurden insgesamt 296 CF-Patienten, gleichmäßig verteilt auf Interventionsgruppe (IG) und Kontrollgruppe (KG), eingeschlossen. Die Cox-Regressionsanalyse zeigte, dass die Gruppenzugehörigkeit, der FEV1pp (<40 vs. ≥40), das Alter (≥18 Jahre vs. 12-17 Jahre), das Geschlecht und die Anwendung einer CFTR-Modulator-Therapie keinen signifikanten Einfluss auf die Zeit bis zur ersten Exazerbation hatten. Hingegen hatte die Adhärenz zur Inhalationstherapie einen signifikanten Effekt (p = 0,03, Hazard Ratio 0,89 (0,81, 0,99)). Eine Erhöhung der Therapietreue um 10 Prozentpunkte war mit einer im Mittel um 11 Prozent verringerten Wahrscheinlichkeit verbunden, die erste Exazerbation zu erleiden.

Zusammenfassung / Conclusion

Im Rahmen der Interimsanalyse konnten keine Interventionseffekte nachgewiesen werden. Tendenziell zeigt sich jedoch ein signifikanter Einfluss der Adhärenz auf die Zeit bis zur ersten Exazerbation. Dieser wird im Rahmen der Endanalyse, welche ab Januar 2024 erfolgt, detaillierter untersucht.


AutorInnen
Juliane Schiller, inav - privates Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH
Franziska Püschner, inav - privates Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH
Volker Eric Amelung, inav - privates Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH
Stephanie Thee, Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin, Christiane Herzog Zentrum für Mukoviszidose, Berlin, Deutschland; Berlin Institute of Health, Berlin, Deutschland
Miriam Stahl, Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin, Christiane Herzog Zentrum für Mukoviszidose, Berlin, Deutschland; Berlin Institute of Health, Berlin, Deutschland; Deutsches Zentrum für Lungenforschung, Berlin, Deutschland
Sivagurunathan Sutharsan, Ruhrlandklinik – Westdeutsches Lungenzentrum am Universitätsklinikum Essen gGmbH, Essen, Deutschland
Rainald Fischer, Pneumologisches Studienzentrum München – West, München, Deutschland
Manfred Ballmann, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Deutschland
Svenja Straßburg, Ruhrlandklinik – Westdeutsches Lungenzentrum am Universitätsklinikum Essen gGmbH, Essen, Deutschland
Janette Tattersall-Wong, Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin, Christiane Herzog Zentrum für Mukoviszidose, Berlin, Deutschland
Felicitas Lauer, Pneumologisches Studienzentrum München – West, München, Deutschland
Julia Weitzel, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Deutschland
Ann-Kathrin Ketter, Thieme TeleCare GmbH, Stuttgart, Deutschland
Wolfgang Weber, Thieme TeleCare GmbH, Stuttgart, Deutschland
Cornelia Kittlick, Thieme TeleCare GmbH, Stuttgart, Deutschland
Peter Salathe, m.Doc GmbH, Köln, Deutschland
Torbjoern Jacobsen, PARI Medical Holding GmbH, Starnberg, Deutschland
Carola Fuchs, PARI Medical Holding GmbH, Starnberg, Deutschland
Marcus Mall, Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin, Christiane Herzog Zentrum für Mukoviszidose, Berlin, Deutschland; Berlin Institute of Health, Berlin, Deutschland; Deutsches Zentrum für Lungenforschung, Berlin, Deutschland