Organisierte Sitzung

Reifegradmodelle als Katalysator für Digitalisierung im Gesundheitswesen? Transparenz als Bedingung für funktionierenden Wettbewerb im Gesundheitswesen

Reifegradmodelle stellen ein Instrument dar, um die Struktur- und Prozessqualität von Organisationen zu messen und zu vergleichen. Sie ermöglichen es einerseits, Qualitätsaspekte nach außen zu kommunizieren, vergleichbar mit den Sterne-Kategorien in der Hotellerie. Bezogen auf das Gesundheitswesen kann dies ein Baustein für Public Reporting sein und Wahlentscheidungen von Versicherten unterstützen. Andererseits schaffen Reifegradmodelle Transparenz nach innen: Im Sinne eines Benchmarkings lässt sich ablesen, wo die eigene Organisation im Vergleich mit dem Durchschnitt der anderen Organisationen bzw. mit einzelnen anderen Einrichtungen steht. Somit sind Reifegradmodelle gleichzeitig ein Katalysator für Wettbewerb. Reifegradmodelle können in unterschiedlichen Settings und zur Messung unterschiedlicher Parameter eingesetzt werden. Im Gesundheitswesen werden sie u. a. genutzt, um den Grad der Digitalisierung von Organisationen zu erheben. Ob das Modell gleichermaßen für große und kleine Einheiten sowie für eher heterogene und homogene Gruppen von Einrichtungen geeignet ist, lässt sich anhand aktueller Evaluationsvorhaben mithilfe von Reifegrademodellen ablesen. Die Session umfasst einen einführenden Impulsbeitrag zum Konzept des Reifegradmodells sowie zwei Vorträge in denen konkrete Reifegradmodelle vorgestellt und ihre Bedeutung für das deutsche Gesundheitswesen diskutiert werden: DigitalRadar Krankenhaus (stationärer Sektor) und ReDiGe (Öffentlicher Gesundheitsdienst).

Vorträge

Was sind Reifegradmodelle, wie messen sie und was können sie für die digitale Transformation des Gesundheitssystems leisten?
Torsten Eymann, Universität Bayreuth

Einleitung

In dem Impulsbeitrag wird das Konzept des Reifegradmodells als Instrument der Struktur- und Prozessqualitätsmessung vorgestellt. Neben der Vorstellung etablierter Verfahren zur Entwicklung von Reifegradmodellen geht es auch um ihre Funktionsweisen und ihren Beitrag zur Weiterentwicklung von Organisationen sowie des gesamten Gesundheitssystems: Was ist bei der Entwicklung von Reifegradmodellen zu beachten? Welchen Beitrag leisten sie zur Umsetzung von Digitalisierungsstrategien? Und inwiefern stärken Reifegradmodelle den Wettbewerb im Gesundheitswesen? Der Schwerpunkt des Impulses liegt auf Reifegradmodellen im Bereich der Digitalisierung.

DigitalRadar Krankenhaus – Messung des digitalen Reifegrades der Krankenhäuser in Deutschland
Malte Haring, inav – privates Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH

Einleitung

Im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) wurde der Krankenhauszukunftsfonds eingerichtet, mit dem Investitionen in die digitale Infrastruktur von Krankenhäusern gefördert werden sollen. Der Fonds umfasst Mittel in Höhe von 4,3 Mrd. Euro. Um die Auswirkungen des Förderprogramms und den aktuellen Stand der Digitalisierung im deutschen Krankenhaussektor zu evaluieren, hat das Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) die Entwicklung und Umsetzung eines digitalen Reifegradmodells beauftragt. Das Reifegradmodell selbst und der Erhebungsprozess werden in diesem Zusammenhang ebenfalls evaluiert. An der ersten Erhebung nahmen Vertreterinnen und Vertreter von 1.624 Krankhäusern teil, was 91 % aller deutschen Krankenhäuser entspricht. Sie gaben im Rahmen eines Surveys mit 234 Elementen in sieben Dimensionen Auskunft über den Stand der Digitalisierung in ihrer Einrichtung. In dem Vortrag werden das Vorgehen zur Entwicklung des Reifegradmodells und die Ergebnisse der ersten Erhebung vorgestellt. Zudem werden Ansatzpunkte für Entwicklungen erörtert. Nicht zuletzt lassen die Daten Rückschlüsse zu, wie Digitalisierung sich auf die Prozess- und Strukturqualität von Krankenhäusern auswirkt und inwiefern Zusammenhänge zwischen der digitalen Reife und der Versorgungsqualität bestehen.

ReDiGe – Reifegradmodell zur Unterstützung des „Pakts für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“
Maria Neubauer, Technische Universität Dresden
Nina Schlömer, Freie Universität Berlin

Einleitung

Die Covid-19-Pandemie hat zum einen gezeigt, dass der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) mit den rund 375 kommunalen Gesundheitsämtern in gesundheitsbezogenen Krisensituationen eine wichtige Rolle in Bezug auf Information und Koordination einnimmt. Gleichzeitig stellte neben fehlenden personellen Ressourcen die unzureichende digitale Reife vieler Gesundheitsämter eine Hürde für die effektive und skalierbare Infektionsmeldung und Kontaktnachverfolgung dar. Um diesem Defizit entgegenzuwirken, förderte das Bundesministerium für Gesundheit die Entwicklung eines Reifegradmodells für die Erhebung der Digitalisierung von Gesundheitsämtern. Es wurde gemeinsam mit Mitarbeitenden der Gesundheitsämter und weiteren Expertinnen und Experten des ÖGD erarbeitet und wird seit 2022 eingesetzt. Ziel ist die Stärkung der Digitalisierung des ÖGD, um für zukünftige Herausforderungen besser gerüstet zu sein. Gesundheitsämter erhalten Transparenz über ihren digitalen Reifegrad im Vergleich mit anderen Gesundheitsämtern und werden angeleitet, ihre digitale Reife zu erhöhen. Neben der Vorstellung der Dimensionen, die dem Reifegradmodell zugrunde liegen, wird in dem Vortrag ein Überblick über die Ergebnisse der Messung gegeben. Weiterhin wird vorgestellt, wie die Gesundheitsämter das Reifegradmodell auch als Management-Tool für die Planung von Digitalisierungsprojekten nutzen.